Erfolgreiche Zeitzeugenarbeit: Methodische Schritte zur lebendigen Geschichtsvermittlung

Die Verwendung von Zeitzeugenberichten zur SED-Aufarbeitung und Vermittlung der DDR-Geschichte erlebt derzeit einen bemerkenswerten Aufschwung: Sowohl in der akademischen Welt als auch im Kultursektor gewinnen diese persönlichen Erzählungen an Bedeutung. Besonders in der Gedenkstättenarbeit sind die Alltagsgeschichten der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen unverzichtbar geworden. Das gilt für die Ausstellungen an der Gedenkstätte Point Alpha oder im Grenzmuseum Schifflersgrund genauso wie für das Zeitzeugenmemorial. Unser interdisziplinäres Team aus Historikerinnen und Historikern, Kulturwissenschaftlerinnen und Kulturwissenschaftlern und Soziologinnen und Soziologen geht methodisch geschult und verantwortungsvoll mit den Geschichten der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, aber auch mit den Menschen selbst um.

Die Auswahl der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen: Gezielt und themenorientiert

Wir setzen einen methodisch durchdachten Ansatz ein, um Zeitzeuginnen und Zeitzeugen auszuwählen, die über spezifische Themen wie Zwangsaussiedlung, Flucht, den Grenzdienst oder das Leben im Sperrgebiet berichten können. Dies geschieht entweder durch öffentliche Aufrufe in Printmedien oder auf den Social Media-Seiten der Projektpartner, die auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten sind. Ebenfalls als erfolgreich hat sich das sogenannte Schneeballverfahren herausgestellt, das dem Prinzip „jemand kennt jemanden, der jemanden kennt“ folgt. Dabei ist uns bewusst, dass jede Geschichte von Bedeutung ist, jedoch priorisieren wir aufgrund des Alters diejenigen mit fortgeschrittenem Alter.

Das Vorgespräch: Aufbau von Vertrauen und Klärung von Rahmenbedingungen

Vor der eigentlichen Aufzeichnung führen wir ausführliche Vorgespräche, entweder telefonisch, in den Wohnungen der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen oder in unseren Gedenkstätten. Diese dienen dazu, biographische Informationen zu sammeln, Vertrauen aufzubauen und den thematischen Fokus des Interviews zu klären. Zudem besprechen wir das Interview-Setting, um etwaige Scheu oder Ängste abzubauen und zusätzliches Anschauungsmaterial zu erfragen. Dabei informieren wir die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen auch ausführlich über die rechtlichen Rahmenbedingungen bezüglich der Veröffentlichung und Verwendung der Aufzeichnungen, um sicherzustellen, dass alle Parteien über ihre Rechte und den Schutz ihrer Privatsphäre informiert sind.

Die Durchführung der Videointerviews: Professionell und einfühlsam

Die Videointerviews finden in der Regel in eigens dafür ausgestatteten Räumen in den Gedenkstätten statt, um optimale Bedingungen zu gewährleisten. Wir arbeiten leitfadengestützt, wobei ein vorher erarbeiteter Fragenkatalog Orientierung bietet, jedoch Raum für offene Gespräche lässt. Bei besonders belastenden Erzählungen steht es den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen frei, Pausen einzulegen oder eine Begleitperson hinzuzuziehen. Auch die Interviewer haben die Möglichkeit, in Form einer Supervision oder von Gesprächen im Team Belastendes loszuwerden.

Zeitzeugenberichte als lebendige Geschichtsquellen

Die Arbeit mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen ist nicht nur eine Methode zur historischen Aufarbeitung, sondern ermöglicht es uns auch, Geschichte lebendig zu vermitteln und persönliche Perspektiven einzubeziehen. Durch einen respektvollen und methodisch fundierten Umgang mit den Erzählungen der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen tragen wir dazu bei, die Vergangenheit zu bewahren und für kommende Generationen erfahrbar zu machen.

Zeitzeugenberichte bereichern die Geschichtsvermittlung durch ihre Authentizität und die unmittelbare Verbindung zur Vergangenheit. Sie bieten wertvolle persönliche Einblicke in historische Ereignisse, die oft in offiziellen Dokumenten oder traditionellen Quellen nicht zu finden sind. Diese Berichte ermöglichen es, Geschichte emotionaler und fassbarer zu gestalten, da sie individuelle Schicksale und menschliche Perspektiven in den Vordergrund rücken.

Zeitzeugenberichte sind allerdings auch mit Herausforderungen verbunden. Die Erinnerungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen können durch die Zeit, persönliche Erlebnisse oder die gesellschaftliche Nachbetrachtung beeinflusst und manchmal verzerrt sein. Diese Subjektivität erfordert eine sorgfältige Einordnung und kritische Analyse der Berichte. Es ist wichtig, diese persönlichen Erzählungen stets im Kontext der umfassenden historischen Fakten und Erkenntnisse zu betrachten, um ein ausgewogenes und fundiertes Verständnis der Vergangenheit zu fördern. So wird sichergestellt, dass Zeitzeugenberichte ihre Stärke als lebendige Geschichtsquellen entfalten können, ohne dabei die Komplexität der historischen Realität zu verlieren.

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